Politiker können versagen, Staaten ebenfalls: Seit
rund 20 Jahren ergeht immer häufiger die Diagnose »Failed
state«, wenn in Zivilgesellschaften der Dritten
Welt staatliche Hoheitseinrichtungen und öffentliche
Institutionen nicht mehr funktionieren, wenn ein Zusammenbruch
der öffentlichen Ordnung oder ganz allgemein der Ausbruch
chaotischer Verhältnisse und eine Zunahme von privatisierter
Gewalt registriert werden muss.
Am Donnerstag, 25. Juni 2009, 19 Uhr, diskutieren dieses
Thema im Rahmen eines Osnabrücker Friedensgesprächs
in der Schloss-Aula der Universität der frühere deutsche
Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dr. Gunter Pleuger,
die Direktorin des Europa-Büros der Menschenrechtsorganisation
Human Rights Watch, Lotte Leicht, und der Politikwissenschaftler
Dr. Ulrich Schneckener.
Spektakuläre Raubzüge und Schiffsentführungen führten
in jüngster Zeit die Bedrohung des internationalen Friedens
durch Piraterie vor den Küsten Ostafrikas, aber auch
in südostasiatischen Gewässern vor Augen. Weniger wahrgenommen
wird das Schicksal von Flüchtlingen und Vertrieben,
die unter Gewaltexzessen von Seiten krimineller Banden
und militärisch-politischer Verbände leiden. Diese besetzen
oft ein Machtvakuum, wenn Regierungsorgane das Gewaltmonopol
über Territorium und Bewohner ihres Landes nicht mehr
ausüben können, weil sie nicht mehr über die geeigneten
Machtmittel verfügen oder weil konkurrierende Kräfte
dies verhindern. Dann sind meist die Aufrechterhaltung
öffentlicher Sicherheit und die Gewährung von Wohlfahrt
im weitesten Sinne nicht mehr möglich. Die internationale
Gemeinschaft sieht sich in diesen Fällen immer öfter
herausgefordert: Die Gewährleistung der Sicherheit der
Handels- und Verkehrswege liegt im Interesse aller Marktteilnehmer
der Weltwirtschaft. Und die Geltung der Menschenrechte
bzw. ihre Wiederherstellung sind humanitäre und politische
Erfordernisse ebenso wie die dringend benötigte Hilfe
bei Naturkatastrophen oder die Unterstützung in politischen
Prozessen des »nation-building«. Damit aber
werden zugleich völkerrechtliche und politische Fragen
aufgeworfen, etwa nach der Objektivität der Lagebeurteilung,
nach den Interessen der Akteure, nach der Legitimität
des Mitteleinsatzes und der Effektivität der Maßnahmen.
Dr. Gunter Pleuger wurde nach seinem Ausscheiden aus
dem Diplomatischen Dienst 2008 zum Präsidenten der Viadrina-Universität
Frankfurt/Oder berufen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft
und der Politischen Wissenschaft übernahm er erstmals
1970 Aufgaben an der Ständigen Vertretung bei der UNO
in New York, später war er u.a. an den Botschaften in
New Delhi und Washington tätig. Von 2002 bis 2006 war
Pleuger Ständiger Vertreter Deutschlands bei den Vereinten
Nationen. Lotte Leicht leitet seit 1994 das Europa-Büro
von Human Rights Watch in Brüssel. Zuvor war die Juristin
für das Dänische Zentrum für Menschenrechte und von
1990 bis 1994 als Programmdirektorin der Internationalen
Helsinki-Stiftung in Wien tätig. Leicht wirkt u.a. beim
Dänischen Roten Kreuz und im Nord-Süd-Komitee der Heinrich
Böll-Stiftung mit. Dr. Ulrich Schneckener ist Leiter
der Forschungsgruppe »Globale Fragen« der
in Berlin ansässigen Stiftung Wissenschaft und Politik.
2005 erhielt er den Peter Becker-Preis für Friedens-
und Konfliktforschung der Universität Marburg.
Das Friedensgespräch wird geleitet von Prof. Dr. Roland
Czada, von der Universität Osnabrück.
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