Wie sollte das Verhältnis von Staat und Religionen
in Deutschland geregelt sein? Das fragte schon vor gut
einem Jahr ein Osnabrücker Friedensgespräch. Mit neuen
Podiumsgästen wird die Diskussion am Mittwoch, den 6.
Mai, 18 Uhr in der OsnabrückHalle fortgesetzt. Ministerpräsident
Christian Wulff, die frühere Vizepräsidentin des Deutschen
Bundestages und GRÜNEN-Politikerin Dr. Antje Vollmer
und der ehemalige Kirchenpräsident der Evangelischen
Kirche in Hessen und Nassau, Prof. Dr. Peter Steinacker,
wurden eingeladen, ihre Ideen zur weiteren Ausgestaltung
der Beziehungen zwischen Politik und Glaubensgemeinschaften
vorzustellen.
Für die Politik im säkularisierten Deutschland sind
Glaubensfragen erkennbar mehr als nur Privatsache der
Individuen. Die Nützlichkeit der Religionsgemeinschaften
- aktuell etwa für Zwecke der Integration von Einwanderern
und ihren Familien - ist gesellschaftlich anerkannt.
Hier sieht auch Niedersachsens Innenminister Schünemann
Handlungsbedarf. Er proklamierte jüngst, das Land solle
in die »Ausbildung von Imamen« einsteigen
und Lehrer für islamischen Religionsunterricht anstellen.
Denn in den Moscheen in Deutschland sind derzeit über
2.000 Geistliche als Vorbeter, Prediger und Seelsorger
tätig. Den Großteil entsendet der türkische Staat in
die der DITIB angeschlossenen Moscheen, um seine Staatsangehörigen
geistlich betreut zu wissen. Dies ist für Minister Schünemann
ein schwer erträglicher Zustand; den Schaumburger Nachrichten
sagte er vor Tagen: »Die Imame haben großen Einfluss
auf die Migranten. Wenn sie selbst aber kein Deutsch
sprechen und nur sehr kurz im Lande sind, ist die Gefahr
der Isolation groß - bis hin zur Hasspredigt.«
Ministerpräsident Wulff sprach sich schon 2008 dafür
aus, einen Staatsvertrag mit den Muslimen abzuschließen,
ähnlich den Staatskirchenverträgen mit der evangelischen
Kirche 1955 und der katholischen Kirche 1965.
Mit den Migranten sei weltweit »Gott im Kommen«,
sagt Antje Vollmer und veröffentlichte ein Buch unter
diesem Titel. Sie warnt darin vor »Unruhestiftern
im Namen Gottes«", bezieht dies allerdings auf
alle »monotheistischen« Glaubensrichtungen,
also auch auf christliche Bekenntnisse. Sie sieht auch
hier Aggressionspotenzial, insbesondere bei protestantisch-fundamentalistischen
Pfingstlern in Südamerika und den rund 80 Millionen
»"wiedergeborenen Christen« in Nordamerika.
Vollmer, die 1943 geborene evangelische Theologin, setzt
auf mehr »Grenzgänger«, die in einer religiösen
Kultur heimisch sind, aber auch eine zweite kennen und
erklären können, welche Wege der Überwindung radikaler
Strömungen anderen Glaubensgemeinschaften überhaupt
möglich seien. Sie könnten so als Vermittler zur jeweils
anderen Seite dienen.
Kirchenpräsident Steinacker, Präsidiumsmitglied des
Deutschen Evangelischen Kirchentages, konstatiert demgegenüber
eine kaum überwindbare »Fremdheit« zwischen
den Religionen, die zu respektieren sei, anstatt mithilfe
eines »modernen verwaschenen« Toleranzbegriffs
verschleiert zu werden. So gelte es, die Andersartigkeit
der Muslime zu respektieren, allerdings im Rahmen der
Normen unserer Verfassung. Immerhin urteilt Steinacker:
»"Dass wir uns gegenseitig achten in unserer Fremdheit,
das ist eine Chance«.
Das Friedensgespräch wird geleitet von Prof. Dr. Reinhold
Mokrosch von der Universität Osnabrück.
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