NDR 4 Info Interview mit Prof. Dr. Christian Pfeiffer
anläasslich der Veranstaltung der Osnabrücker Friedensgespräche:
»Terrorismus und Bürgerrechte - Ausländische Studierende
im Raster der Fahndung«
NDR 4 INFO: Viele Spuren führten nach Deutschland nach den Anschlägen
vom 11. September. Auch deutschen Politikern wurde damals klar, dass Terroristen
nicht nur im Ausland wohnen. Eine Rasterfahndung an den Universitäten
erschien ein probates Mittel. Fahndungsmerkmale: Äußeres, Haltung
zum Glauben und so weiter. Inzwischen kassieren die Gerichte diese Anordnung
wieder. Nach Berlin war es nun das Landgericht in Wiesbaden. Ein sudanesischer
Student sah dort seine Grundrechte verletzt - er bekam recht. Die Beschwerde
beim Oberlandesgericht läuft. Die Bürgerrechte ausländischer
Studenten in Zeiten des Terrors - damit beschäftigen sich heute abend
auch die Diskussionsteilnehmer der Osnabrücker Friedensgespräche.
NDR 4 INFO: Herr Pfeiffer, auch an niedersächsischen Universitäten
läuft die Rasterfahndung. Auch in Osnabrück. Der Uni-Präsident
will sich nun deswegen bei der Landesregierung beschweren. Was würden
Sie ihm sagen, wenn Sie ihm begegnen würden?
Pfeiffer: Ich würde ihm sagen, dass sein Gedächtnis
vielleicht ein bisschen kurz ist. Als der 11. September in frischer Erinnerung
war, haben wir alle zugestimmt. Und weder Herr Künzel noch andere
haben protestiert, dass es nötig sein könnte, etwaige Schläfer
in Deutschland zu enttarnen, indem man Merkmale, die von Seiten der Lufthansa
oder anderer Fluglinien gebracht werden, von Seiten der Banken, von Seiten
der Universitäten und anderer staatlicher Stellen, dass diese Merkmale
zusammengeführt werden im Wege der Rasterfahndung, um herauszufiltern:
Gibt es Einzelne, wo die Polizei genauer hinschauen sollte. Damals war
allen das klar. Inzwischen ist die Erinnerung schwächer geworden,
und schon protestiert man gegen ein Instrument, das ich für erforderlich
halte.
NDR 4 INFO: Aber die Rasterfahndung ist ja ein umstrittenes Instrument.
So leicht, sagen viele, kommt man da als Unschuldiger dann letztlich doch
nicht wieder heraus. Und viele sagen, sie verstößt gegen Gleichbehandlungsprinzipien
und gegen Freiheitsrechte. Wie stehen Sie denn dazu?
Pfeiffer: Ich halte die Rasterfahndung für ein notwendiges
Instrument, und vor allem eines, das ja den Betroffenen nicht in einer
Weise näher tritt wie andere staatliche Überprüfungsmaßnahmen.
Wer unschuldig ist, dem geschieht überhaupt nichts. Der merkt davon
nichts. Und der Staat nutzt ja diese Daten auch nicht in irgendeiner problematischen
Weise, sondern nutzt sie lediglich dafür, zu überprüfen:
Ergibt das in Zusammenschau mit anderen Informationen, die wir haben,
einen Anfangsverdacht, der uns dann veranlasst, die Polizei zu informieren,
dass sie diesen einen Menschen, von dem der Verdacht sein könnte,
dass er ein, in Anführungszeichen, "Schläfer" ist - also jemand,
der unerkannt als Terrorist auf seine Stunde wartet. Und dass man dann
sagt: Gut, dann müssen wir weiter überprüfen. Aber alle
anderen, die völlig ohne Grund zunächst einmal anvisiert wurden,
wo wir im Nachhinein feststellen: Nein, da ist kein Verdacht - dem geschieht
ja überhaupt nichts.
NDR 4 INFO: Hat denn die Rasterfahndung in Niedersachsen bis
jetzt überhaupt etwas gebracht?
Pfeiffer: Das würde ich Ihnen nicht erzählen, wenn
ich es wüsste. Aber ich weiß es nicht, weil das die Sache von
Herrn Innenminister Bartling ist, dessen Behörde hier dann die Informationen
zusammentragen muss. Und wenn sie dann auf den Gedanken kommt, xy sollten
wir uns genauer betrachten, dann wird sie das in aller Vorsicht und Ruhe
tun und davon den Medien nichts berichten.
NDR 4 INFO: Rechnen Sie denn damit, dass auch niedersächsische
Gerichte die Anordnung zur Rasterfahndung kassieren würden, sobald
jemand klagen würde?
Pfeiffer: Wage ich keine Prognose. Wir haben andere gesetzliche
Voraussetzungen, als in Berlin oder in Hessen. Sie sind bei uns etwas
weiter gefasst. Wir verlangen nicht eine gegenwärtige Gefahr für
Leib oder Leben. Und von daher meine ich, dass die Gerichte in Niedersachsen
möglicherweise anders entscheiden würden, als das in den anderen
beiden Bundesländern der Fall gewesen ist.
NDR 4 INFO: Osnabrücker
Friedensgespräche heute Abend um 19.00 Uhr.