Festvortrag zum Tag der Deutschen Einheit
mit
Milan Horácek
Mitglied des Europäischen Parlaments
Gesprächsleitung
Jun.-Prof. Dr. Andrea Lenschow, Universität Osnabrück
Die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland sind nachbarschaftlich eng und seit Öffnung der Grenzen zweifellos intensiver geworden. Im Deutsch-Tschechoslowakischen »Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit« aus dem Jahr 1992 und mit der Deutsch-Tschechischen »Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung« vom Januar 1997 haben beide Seiten sich verpflichtet, die Beziehungen »im Geiste guter Nachbarschaft und Partnerschaft zukunftsgerichtet fortzuentwickeln und nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen, insbesondere der Jahre 1938 bis 1948, zu belasten«. Touristen, Arbeitsmigranten, Schnäppchenjäger und Außenhandelskaufleute nutzen die neue Freiheit unter Nachbarn zum gegenseitigen Vorteil. Aber die Erinnerungen an die dunklen Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts sind lebendig. Dazu gehören die Jahre der »volksdeutschen« »Heim ins Reich«-Bewegung, die NS-Okkupation mit ihrer Verfolgung jüdischer Einwohner und des tschechischen Widerstands, die tschechoslowakische Nationalitätenpolitik nach 1945 auf Grundlage der sog. Beneš-Dekrete, die Beteiligung der DDR-Volksarmee an der militärischen Beendigung des »Prager Frühlings« von 1968 und die Fortdauer deutscher Entschädigungsforderungen. All dies macht die Wiedergewinnung einer kulturräumlichen Verbundenheit von Deutschen und Tschechen, wie sie sich während früherer Jahrhunderte fruchtbar bis zur Selbstverständlichkeit entwickelte, problematisch. Wie definieren Tschechen heute ihr Verhältnis zu Deutschland im Rahmen der gemeinsamen EU-Mitgliedschaft?
Milan Horácek
Geboren 1946 in der Tschechoslowakei, 1965 bis 1967 Militärdienst in einem Strafbataillon (wegen »politischer Unzuverlässigkeit«), ab 1968 politisches Exil in Deutschland, Tätigkeit als Elektromonteur, publizistische Aktivitäten, u. a. Herausgeber der Exil-Zeitschrift »Listy«, 1976 bis 1981 Politologie-Studium in Frankfurt/Main, Beteiligung an der Gründung der Grünen Partei. 1981 bis 1983 Stadtverordneter in Frankfurt/Main, 1983 bis 1985 Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten, 1985 bis 1990 Fraktionsreferent für Außen- und Sicherheitspolitik, Menschenrechte und Ost-Europa. 1990 Wiedereinbürgerung und Berufung von Präsident Vaclav Havel in dessen »Rat der Konsulanten«. 1991 bis 2004 Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Prag. Abgeordneter der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, für Thüringen im Europäischen Parlament, hier Mitglied u. a. im Unterausschuss für Menschenrechte.
3. Oktober 2006, 11 Uhr, Ratssitzungssaal des Rathauses Osnabrück