Europa sieht Deutschland 2002

Russlands Erwartungen nach 1989 – erfüllt oder enttäuscht?

Festvortrag zum Tag der Deutschen Einheit in Kooperation mit dem Deutsch-Russischen Forum e.V.
mit

Prof. Dr. Wolfgang Eichwede
Direktor der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen

Gesprächsleitung
Martin Hoffmann, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums e.V., Berlin


»In Russland existiert ein Wirtschaftssystem, das lediglich 20 Prozent der Bevölkerung dient und eine Großstadt finanziert. Russland hat ein gewaltiges Potemkinsches Dorf errichtet, in dem nur 20 Prozent der Bevölkerung leben können, 5 Prozent sogar sehr gut, 15 Prozent leidlich gut, die restlichen 80 Prozent dagegen stehen auf der Straße. Betrachten wir dagegen die Aufgaben, die die russische Wirtschaft im Bereich der Wohnungsreform oder der Reform der Armee, dem Schutz der Grenzen oder der Schaffung eines Sicherheitssystems zu leisten hat, dann steht fest: Unsere Wirtschaft ist dazu nicht in der Lage. In diesem Sinne wächst der Rückstand gegenüber den entwickelten Ländern weiter.«
Grigorij Jawlinskij, DIE WELT, 8. Juli 2002
Dr. Grigorij A. Jawlinskij:
Gewähltes Mitglied der russischen Staatsduma, Vorsitzender der liberalen Jabloko-Partei und deren Parlamentsfraktion. – Geb. 1952 in Lvov (Lemberg), Studium am Moskauer Plechanow-Institut für Nationalökonomie, anschließend Tätigkeit u.a. in Forschungsinstituten des Staatskomitees der UdSSR für Arbeit und Sozialfragen sowie ab 1989 in der Kommission für Wirtschaftsreformen beim Ministerrat der UdSSR. Von Juli bis September 1990 war Jawlinskij Stellvertretender Regierungschef der RSFSR und Co-Autor des – von Präsident Gorbatschow nicht umgesetzten – “500-Tage-Programms” zur Einführung der Marktwirtschaft. Als Wirtschaftsreformer beriet Jawlinskij hochrangige staatliche Kommissionen und führte internationale Delegationen, bevor er 1992 in Moskau das Zentrum für Ökonomische und Politische Forschungen (EPIcenter) als private Nicht-Regierungsorganisation gründete, das er seither leitet. 1993 Mitbegründer der Jabloko-Partei, kandidierte Jawlinskij 1996 und 2000 bei den russischen Präsidentschaftswahlen. Er und seine Partei bezogen wiederholt Position gegen den Krieg in Tschetschenien und engagierten sich gegen die Korruption. Auch als Publizist wirbt Jawlinski für den wirtschaftlichen Aufbau Russlands und die Entwicklung des Landes zu einer offenen, demokratischen Gesellschaft (Vgl. u.a.: Incentive and Institutions.The Transition to a Market Economy in Russia, Princeton University Press, 2000).

Prof. Dr. Wolfgang Eichwede
Lehrstuhlinhaber für Politik und Zeitgeschichte Osteuropas an der Universität Bremen, seit 1982 Direktor der Forschungsstelle Osteuropa. Prof. Eichwede ist Mitglied im erweiterten Vorstand des Deutsch-Russischen Forums Berlin.

3. Oktober 2002, 11 Uhr, Rathaus