Europa sieht Deutschland 2001

Europa sieht Deutschland – aus österreichischer Perspektive

Festvortrag zum Tag der Deutschen Einheit
mit

Dr. Franz Vranitzky
Bundeskanzler der Republik Österreich 1986-1997

Gesprächsleitung
Prof. Dr. György Széll, Universität Osnabrück


Die Eröffnung der neuen Botschaft Österreichs im Juli in Berlin sah die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Ausgabe vom 4. August »als demonstratives Entkrampfungsunternehmen« für das deutsch-österreichische Verhältnis. Die Beteiligung der Rechtsaußen-Partei des Jörg Haider an der Koalitionsregierung Bundeskanzler Wolfgang Schüssels hatte in Österreich und ganz Europa massive Proteste hervorgerufen. Die Rolle der rot-grünen deutschen Regierung würde allerdings in Österreich vielfach »als die eines europäischen Großinquisitors« gesehen, wie die Zeitung meinte. Der frühere österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky zeigte sich indessen gelassen: In einem Interview sagte er der Wiener Zeitschrift »Profil«: »Die Österreicher werden sich daran gewöhnen müssen, dass Europa nicht mehr das böse Ausland ist, dass sich nicht einmischen darf«. Bundesaußenminister Joschka Fischer bekannte bei oben genanntem Anlass, persönlich »immer ein enges Verhältnis zu Österreich« gehabt zu haben und signalisierte damit, dass die Beziehungen zum Nachbarn, der eine Gatekeeper-Funktion gegenüber den EU-Beitrittskandidaten in Ost- und Südosteuropa anstrebt, auf Dauer gar nicht anders sein dürfen als gut.

Dr. Franz Vranitzky
Bundeskanzler der Republik Österreich a. D. – Geboren 1937 in Wien; nach dem Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien 1960 Abschluss als Diplom-Kaufmann und 1969 Promotion. Tätigkeiten in der Industrie, bei der Österreichischen Nationalbank und 1970-1976 im Bundesministerium für Finanzen; dann verschiedene Vorstandsämter im österreichischen Bankwesen und 1984-1986 Bundesminister für Finanzen. Seit 1986 Abgeordneter im Nationalrat, wurde Dr. Vranitzky im gleichen Jahr zum Bundeskanzler gewählt. 1988 übernahm er auch den Vorsitz der SPÖ. 1997 trat er vom Amt des Bundeskanzlers und des Parteivorsitzenden zurück. Seither ist Dr. Vranitzky u.a. als Konsulent der Westdeutschen Landesbank tätig; im Frühjahr 2001 wurde er zum Mitglied des Aufsichtsrates der Preussag AG, Hannover, berufen. Dr. Vranitzky ist für sein Wirken vielfach geehrt worden, u.a. 1995 mit dem Fulbright-Preis für Internationale Verständigung und dem Aachener Karlspreis. Ehrendoktorate verliehen ihm die Hebräische Universität Jerusalem, die Universität Santiago de Chile und die Wirtschaftsuniversität Bratislava.

3. Oktober 2001, 11 Uhr, Rathaus